Astrodicticum Simplex

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  • April 2008
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(Live) von der HCM 7 Konferenz: Tag 5

07.04.08 (Astronomie, Persönliches, Wissenschaft)

bild1.jpgDie Woche ist schnell vergangen – heute ist der letzte Tag der Konferenz. Und diesen letzten Tag hat Fernando Roig (Observatório Nacional, Brasilien) mit dem Thema „Asteroid families: present and future“ (Asteroidenfamilie: Vergangenheit und Zukunft) eröffnet. Dieser Übersichtsvortrag beschäftigte sich mit den sg, „Asteroidenfamilien“. Das sind Asteroiden, die sehr ähnliche Eigenschaften aufweisen und ähnliche Bahnen bzw. physikalische Eigenschaften haben. Man hat im Laufe der Zeit herausgefunden, dass es sich dabei um Bruchstücke eines größeren „Mutterasteroiden“ handelte. Vor langer Zeit ist so ein großer Asteroid dabei mit einem anderen kollidiert. Die dabei entstandenen Bruchstücke bilden dann eine Asteroidenfamilie. Die sind aber leider nicht immer so einfach zu identifizieren. Denn diese Bruchstücke entwickeln sich natürlich nicht alle auf die gleiche Art und Weise und im Laufe der Zeit verstreuen sie sich und vermischen sich mit anderen Asteroiden, die nicht zu dieser Familie gehören. Durch ausgeklügelte Beobachtungen, Modelle und Rechnungen lässt sich aber herausfinden, welche Objekte zur Familie gehören, wo sie zum Zeitpunkt der Kollision waren und auch wann diese Kollision stattgefunden haben. Die Untersuchung dieser Asteroidenfamilien bringt also schöne Einblicke in die Geschichte und Entwicklung unseres Sonnensystems.

pict4904.JPGDen zweiten Übersichtsvortrag des Tages hielt Christian Beaugé (Universität Cordóba, Argentinien) zum Thema „Dynamics and orbital determination of resonant exoplanetary systems“ (Dynamik und Bahnbestimmung von resonanten Exoplanetensystemen). Hier ging es wieder um extrasolare Planetensysteme. Viele der entdeckten Planeten befinden sich in Resonanzen. Das bedeutet, dass ihre Umlaufzeiten in einem ganzzahligen Verhältnis zueinander stehen. Auch in unserem Sonnensystem befinden sich z.B. Jupiter und Saturn (fast) in einer Resonanz: 5 Umläufe von Jupiter um die Sonne dauern fast gleich so lang wie 2 Umläufe des Saturns. Solche Resonanzen führen zu Besonderheiten bei der gravitativen Beeinflussung: denn Planeten in Resonanz nehmen in periodischen Abständen immer wieder die gleiche relative Position zueinander ein und ihre gravitativen Störungen können sich so verstärken (oder verringern). Aber auch aus anderen Gründen sind resonante Exoplaneten wichtig. Man vermutet nämlich, dass solche Systeme nur durch „Migration“ entstehen können. Das bedeutet, dass sich diese Planeten in der Frühzeit des Planetensystems noch an einem anderen Platz befunden haben und dann durch die gravitative Wechselwirkung mit Gas oder kleinen Asteroiden langsam ihren Bahnradius verkleinert haben – solange bis sie in einer resonanten Position angelangt sind die sie dann gehalten haben. Leider sind die Beobachtungsdaten meisten noch zu ungenau um wirklich mit Sicherheit sagen zu können, ob sich Planeten in Resonanz befinden oder nicht – aber in Zukunft wird das möglich sein. Und dann sind wir beim Verständnis der Planetenentstehung einen großen Schritt weiter.

bild3.jpgKleomenis Tsiginis vertrat den erkrankten Harry Varvoglis (beide von der Universität Thessaloniki, Griechenland) und hielt für ihn seinen Vortrag über „Scattering and capture of free-floating planets by planetary systems“ (Streuung und Einfang von frei-fliegenden Planeten durch Planetensystem). Bei diesen „free-floating planets“ handelt es sich um Planeten, die nicht um einen Stern kreisen. Bei der Entstehung eines Planetensystems ist es sehr wahrscheinlich das einige der im System vorhandenen Protoplaneten durch gravitative Interaktionen mit anderen Protoplaneten aus dem System geworfen werden. Wenn das der Fall ist, dann müssen zwischen den Sternen einige dieser Planeten umher schwirren… Und man hat mittlerweile tatsächlich ein paar dieser Planeten entdeckt! Harry Varvoglis hat in seiner Arbeit untersucht, was passiert, wenn so ein frei-fliegender Planet einem bestehenden Planetensystem nahe kommt. Dabei kann es passieren, dass der frei-fliegenden Planet einen bestehenden aus dem System kickt und selbst beginnt um den Stern zu kreisen. Es können aber auch beide Planeten aus dem System fliegen – oder er fliegt einfach vorbei ohne allzu großen Schaden anzurichten. Abhängig von verschiedenen Parametern ändert sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmter Zustand eintritt. Harry Varvoglis hat nun gezeigt, wie diese Abhängigkeit aussieht – und das es keine klar definierten Grenzen zwischen den einzelnen Möglichkeiten gibt.

John Hadjidemetriou (Universität Thessaloniki, Griechenland) sprach anschließend über „Extrasolar planetary systems at the 1:1 Resonance“ (Extrasolare Planeten in der 1:1 Resonanz). Bei Planeten in 1:1 Resonanz handelt es sich um 2 Planeten, die einen Stern in genau der selben Zeit umkreisen. Das können Trojanerplaneten sein (über die schon an den vorangegangenen Tagen ausführlich gesprochen wurde) – aber es gibt auch andere Möglichkeiten. Auch hier ist es wieder nötig herauszufinden welche Anfangsbedingungen zu einer stabilen Konfiguration führen und welche nicht. Das hat John Hadjidemetriou mit verschiedenen mathematischen und numerischen Methoden untersucht.

bild4.jpgAuch Li-Young Zhou (Universität Nanjing, China) hat sich in seinem Vortrag zum Thema „Possible 3:1 mean-motion resonance in the 55 Cancri system“ (Eine mögliche 3:1 Resonanz der mittleren Bewegung im 55 Cancri System) mit dem Problem der resonanten Planeten beschäftigt. Bei diesem System war es besonders schwierig konkrete Aussagen zu machen da die bekannten Bahndaten noch keine detailierten Berechnungen zulassen. Um festzustellen, ob sich Planeten in einer Resonanz befinden oder nicht muss man die Bahnen der Planeten genau kennen – und leider sind die Beobachtungen immer mit Fehlern behaftet. Hinzu kommt, dass die Bahndaten nur aus Modellrechungen abgeleitet werden können – und die ändern sich im Laufe der Zeit bzw. von Beobachtung zu Beobachtung. Das bedeutet zwar einerseits, dass die Genauigkeit der Daten immer größer wird – die Daten selbst können sich aber oft drastisch ändern. So hat man bei 55 Cancri beispielsweise festgestellt, dass aufgrund neuer Beobachtungen die Daten jetzt viel besser zu einem System mit 5 Planeten passen würden anstatt zu einem System mit 4 Planeten. Dadurch haben sich natürlich die Daten – und die daraus folgenden Berechnungen bezüglich der Resonanzen – ziemlich stark geändert. Hier müssen wir wirklich warten, bis die Beobachtungen genau genug werden um abschließenden Aussagen über resonante Systeme machen zu können.

bild5.jpgDer letzte Vortrag dieser Konferenz wurde von Zsolt Sándor (MPIA Heidelberg, Deutschland) gehalten. Sein Thema war „Evolution of the eccentricities during the formation of resonant planetary systems“ (Entwicklung der Exzentrizitäten während der Entstehung von resonanten Planetensystemen). Zsolt hat sich hier mit einem wichtigen Problem der Planetenentstehungstheorien beschäftigt: wir kennen heute sehr viele extrasolare Planeten, die alle sehr enge Umlaufbahnen mit sehr großen Exzentrizitäten haben. Das sollte eigentlich nicht so sein – man würde eher erwarten das die Bahnen so wie in unserem Sonnensystem nahezu kreisförmig sind und das sich die großen Planeten weiter weg vom Stern befinden. Damit Planeten die beobachteten Bahnen bekommen können, müssen sie auch einer Migration unterworfen sein. Durch diese Migration verkleinert sich ihre Bahn und auch die Exzentrizitäten können größer werden. Allerdings weiß man noch nicht genau, wie dieser Prozess gestoppt werden kann. Irgendetwas muss dazu geführt haben, dass die Migration und die Exzentrizitätsvergrößerung irgendwann aufgehört hat und die Planeten die beobachteten Bahnen eingenommen haben. Bis jetzt hat man aber noch keinen Mechanismus gefunden, der alle Beobachtungen erklären könnte. Dieses Problem zu untersuchen ist sehr kompliziert – man muss nicht nur die gravitative Wechselwirkung der Planeten untersuchen – sondern auch die Interaktion mit den im System vorhandenden Gasteilchen. Auch hier muss noch viel geforscht werden, bis wir eine vernünftige Antwort bekommen werden…

Mit diesem Vortrag hat der wissenschaftliche Teil geendet – aber später am Tag gab es noch den „Salzburger Abend“ – auch eine traditionelle Veranstaltung bei den Humboldt-Kolloquien. Dabei gibts Gratis-Wein für alle – und Salzburger Volksmusik. Das ist zwar nicht ganz so mein Musikgeschmack – aber der Gratis-Wein hilft ein bisschen dabei, den Abend noch recht lustig werden zu lassen 😉 Hier sind zum Abschluß noch ein paar Fotos vom Salzburger Abend:

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